Weil das Ergebnis zählt: Wege zur Qualitätssicherung in der Hilfsmittelversorgung

Aktuell verwenden etwa 25 % der Bevölkerung Hilfsmittel, und die Zahl steigt. Trotzdem wird die Hilfsmittelversorgung in Deutschland nicht ausreichend von der Gesundheitspolitik beachtet. Daher ist es wichtig, den Einsatz und den Nutzen dieser Hilfsmittel im Alltag regelmäßig zu überprüfen. Dies wurde auf dem diesjährigen Qualitätsforum des QVH e.V. thematsiert, wo Experten die Bedeutung der Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung hervorhoben. Sie betonten, dass hier großes Potenzial für Verbesserungen besteht. Hilfsmittel sollten als Lösungen und nicht als bloße Kostenfaktoren betrachtet werden. Es wurden verschiedene Ansätze vorgestellt, um positive Effekte der Versorgung zu stärken. Zudem wurde deutlich, dass dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Eine hohe Ergebnisqualität wirkt sich auch positiv auf die allgemeine Versorgungsqualität und die wirtschaftliche Effizienz in anderen Bereichen des Gesundheitswesens aus.

Der Vorstandsvorsitzende Hubertus Lasthaus begrüßte die Anwesenden und wies darauf hin, dass nach einer turbulenten Woche mit der Wahl in den USA und dem Ende der Regierungskoalition in Berlin nun eine politische Stillstandphase bevor-steht. Diese könnte mindestens drei Monate andauern, bis eine neue Regierung einen Koalitionsvertrag ausgehandelt hat. Trotzdem soll auch in diesem Jahr, wie in den letzten zwölf Jahren, am Welt-Qualitätstag im Rahmen des QVH-Qualitäts-
forums die Hilfsmittelversorgung in den Mittelpunkt gerückt werden. Angesichts der aktuellen politischen Lage ist es besonders wichtig, der zukünftigen politischen Führung klarzumachen, welche Aspekte für die Weiterentwicklung der Hilfsmittelversorgung von Bedeutung sind.

Der Nachmittag wurde von Dr. Sandra Carius aus der Abteilung für Methodenbewertung und veranlasste Leistungen im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eröffnet. Ihr Thema war „Hilfsmittel als Teil neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie ärztliche Veranlassung von Hilfsmitteln“. Der G-BA ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung und konkretisiert den gesetzlichen Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Für die vertragsärztliche Versorgung gilt, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur angewendet werden dürfen, wenn der G-BA zuvor eine Empfehlung über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens dieser Methoden abgegeben hat. Dabei werden die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes bewertet, einschließlich möglicher Risiken. Carius erklärte die verschiedenen Evidenzstufen als Grundlage der Bewertung und die Verfahren zur Aufnahme in den Leistungskatalog der GKV. Wichtig ist, dass der G-BA nicht das konkrete Hilfsmittel prüft, sondern die Methode, deren untrennbarer Bestandteil das Hilfsmittel ist. Sie erläuterte die Prüfkriterien, die für dieses Verfahren entscheidend sind. Dazu gehört ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept, das unter anderem nachvollziehbar darlegt, wie ein therapeutisches Ziel für eine bestimmte Indikation erreicht werden kann. Eine Methode gilt hierbei als neu, wenn sie sich wesentlich von bereits etablierten Methoden unterscheidet. Im zweiten Teil ihres Vortrags sprach Carius über die Vorgaben der Hilfsmittel-Richtlinie. Sie betonte unter anderem, dass der Maßstab für die Notwendigkeit einer Hilfsmittelversorgung auf realistischen, alltagsrelevanten Anforderungen für Versicherte basieren soll und individuelle Kontextfaktoren berücksichtigt werden müssen, um die Voraussetzungen für das angestrebte Versorgungsziel zu schaffen.

Wo bleiben Transparenz, Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit? Diese Frage stellte Dr. Siiri-Ann Doka, Leiterin der Gesundheitspolitik bei der BAG-Selbsthilfe e.V., in ihrem Beitrag. Die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Hilfsmittelversorgung sind für zukünftige Nutzer oft schwer zu verstehen. Es besteht ein Bedarf an allgemeinen Informationen, um zu klären, welche Ansprüche grundsätzlich bestehen. Gleichzeitig ist das Hilfsmittelrecht in den verschiedenen Versorgungsbereichen und Produktgruppen so unterschiedlich, dass eine indikationsspezifische Beratung notwendig wird. Die BAG-Selbsthilfe fordert daher mehr unabhängige, indikationsspezifische Beratung im Hilfsmittelbereich und eine stärkere Vernetzung mit der Selbsthilfe. Doka betonte, dass die Bedarfsgerechtigkeit in Bezug auf das Sachleistungsprinzip von der Produktgruppe und der Art der Behinderung abhängt. Soziale Faktoren beeinflussen ebenfalls stark, ob Betroffene eine angemessene Hilfsmittelversorgung erhalten. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip sollte ebenfalls sorgfältig abgewogen werden. Oft wird es verwendet, um die Ansprüche von Patienten zu begrenzen, doch es umfasst mehr: es geht darum, eine notwendige Versorgung zu gewährleisten und Über-, Unter- oder Fehlversorgungen zu vermeiden. Ein transparenteres und gerechteres System könnte hier positive Veränderungen bringen. Ein umfassendes kollektivvertragliches System, das die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität unter Berücksichtigung des SGB IX prüft, wäre hilfreich. Die Ergebnisqualität könnte durch Patientenbefragungen und Stichproben des Medizinischen Dienstes überprüft werden. Wenn das aktuelle System beibehalten wird, fordert die BAG-Selbsthilfe eine intensivere Prüfung der Ergebnisqualität, insbesondere durch präzisere Rahmenempfehlungen und die gesetzliche Festlegung von Vertragsinhalten sowie deren Kontrolle durch das BAS, fasste Doka zusammen.

Die beiden QVH-Vorstände, Jürgen Stumpf und Sabine Mertsch, beendeten den ersten Teil der Veranstaltung mit einer Zusammenfassung der ersten Erkenntnisse zum aktuellen Fokusthema „Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung“. Diese ist eng verknüpft mit der Struktur- und Prozessqualität und beeinflusst entscheidend die Gesamtqualität der Versorgung. Angesichts knapper werdender finanzieller und personeller Ressourcen im Gesundheitswesen wird die Forderung,
die Ergebnisqualität stärker zu berücksichtigen, immer dringlicher. Der aktuelle Kostendruck zeigt, dass verfügbare Mittel effizient eingesetzt werden müssen, um eine bedarfsgerechte und ergebnisorientierte Hilfsmittelversorgung zu gewährleisten. Ein Fokus auf Ergebnisqualität fördert zudem die Gesundheitsversorgung in Bereichen wie Prävention, Früherkennung, Krankheitsmanagement und Therapie. Dadurch wird eine stärkere Einbindung der Hilfsmittelnutzenden und ihrer Angehörigen in den Versorgungsprozess erreicht. In Zeiten der Digitalisierung kann der Nachweis des Nutzens durch einheitlich
erfasste und standardisierte Daten erfolgen, die im deutschen Gesundheitswesen jedoch bisher fehlen. Es mangelt an Bewusstsein und Entschlossenheit bei Entscheidungsträgern, diese Daten einzufordern. Das „Evidenzparadoxon“ zeigt, dass fehlende Evidenz die Kostenerstattung behindert und das Sammeln von Evidenz erschwert. Die Workshops der AG Ergebnisqualität des QVH im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass das Thema hohe Relevanz hat und ein starker Wille zur Gestaltung vorhanden ist. Wichtige Fragen sind: Wie lässt sich Ergebnisqualität klar definieren? Welche Faktoren sind entscheidend? Sind es medizinische Outcome-Faktoren oder subjektive positive Ergebnisse? Es ist wichtig zu klären, ob individuelle Versorgungsziele ermittelt wurden und wie diese erreicht werden können. Positive Einflussfaktoren sind notwendig für Adhärenz und Motivation zur Nutzung. Die von Michael Hubert im ersten Workshop vorgestellten Zieldimensionen – Akzeptanz, Nutzbarkeit, zielgerichtete Wirkung und Wirtschaftlichkeit – wurden als Basis für die Evaluation des Versorgungsergebnisses bestätigt. Auch die in der G-BA-Hilfsmittelrichtlinie festgelegten Faktoren zur Bedarfsermittlung sind wichtig für eine strukturierte Erfassung. Vorgegebene strukturierte Fragebögen sollten sich leicht in den Arbeitsalltag integrieren lassen. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die Versorgungsprozesse in verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich sind und ein gemeinsames Qualitätsverständnis fehlt. Daher ist es wichtig, alle Beteiligten in den Gestaltungsprozess einzubeziehen. Die Verbesserung der Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung erfordert ein Umdenken im bestehenden System und muss kontinuierlich weiterentwickelt werden. Wichtige Aspekte sind die Verbesserung der Datenqualität, die Entwicklung patientenrelevanter Outcome-Parameter sowie die Berücksichtigung langfristiger Ergebnisse und Patientenerfahrungen. Durch konsequente Messung und Analyse der Ergebnisqualität können Verbesserungspotenziale identifiziert werden, was die Versorgungsqualität insgesamt steigert. Der QVH wird auch 2025 weiterhin aktiv bleiben und hofft auf engagierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter.

Ulrike Grimmer von Hörgeräte am Steintor in Bernau bei Berlin stellte ihre Arbeit unter dem Motto „Individuelle Wünsche und Alltagsbedürfnisse“ vor. In Deutschland gibt es rund 7.300 Hörgeräteakustikgeschäfte, von denen etwa die Hälfte große Ketten sind. Ihr Unternehmen gehört nicht dazu und legt großen Wert auf Qualitätssicherung gemäß der Hilfsmittel-Richtlinie des G-BA. Sie führt für jeden Kunden eine individuelle Bedarfsanalyse mit einem eigenen Fragebogen durch. Ihr Ziel ist es, das Hörvermögen der Kunden zu verbessern, das Sprachverstehen in geräuschvollen Umgebungen zu fördern, räumliches Hören zu optimieren und Kommunikationsprobleme zu verringern oder zu beseitigen. Zur Überprüfung der Qualität nutzt sie die in der Hilfsmittel-Richtlinie festgelegten Messungen im Vorher-Nachher-Vergleich. Diese Nachweise unterstützen auch die Kostenübernahme durch die Krankenversicherungen, da alle Vertragsinhalte erfüllt sind. Durch die anfängliche Bedarfsanalyse und die Klärung der Erwartungen sowie realistischen Ziele werden die Kunden aktiv in den Prozess einbezogen. Dazu gehören auch technische Erklärungen, das Ausprobieren verschiedener Modelle und Übungen zur Handhabung, um sicherzustellen, dass die Nutzer gut vorbereitet sind. Das Ergebnis ist eine gemeinsam festgelegte Vorgehensweise, die das Hörprofil, anatomische Gegebenheiten und individuelle Wünsche berücksichtigt. Es ist ihr wichtig, dass die Kunden gut informiert sind und alle Fakten kennen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Der Erfolg zeigt sich in der hohen Kundenzufriedenheit mit den empfohlenen Produkten, was sich in den Rückmeldungen widerspiegelt.

Markus Wendler, Geschäftsführer des Sanitätshauses PVM in Bielefeld, thematisierte in seinem Beitrag die Diskrepanz zwischen dem Bedarf an Hilfsmitteln und der tatsächlichen Versorgung. Sein Unternehmen konzentriert sich auf das Entlass- und Überleitungsmanagement. Wendler hob die Wichtigkeit von Versorgungssicherheit und der Daseinsversorgung durch Standard-Hilfsmittel hervor. Die Herausforderungen sind bereits jetzt spürbar und werden in den kommenden Jahren zunehmen. Bis 2055 wird ein Anstieg der Pflegebedürftigen von 1,8 Millionen auf 6,8 Millionen erwartet, während die Anzahl der Pflegekräfte um 690.000 sinken könnte (Quelle: Destatis). Dies bedeutet, dass pflegende Angehörige, die meist Laien sind, verstärkt Unterstützung und Anleitung benötigen. Eine bedarfsorientierte Hilfsmittelversorgung kann helfen, den Verbleib der Pflegebedürftigen zu Hause zu fördern und den Pflegeaufwand zu reduzieren. Wendler betonte zudem die Notwendigkeit, auch pflegende Angehörige zu schützen, um Überforderung und eigene Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Standard-Hilfsmittel können hier eine entlastende Rolle spielen. Er forderte eine ganzheitliche Betrachtung der Versorgung, die alle Akteure in der nach-stationären Pflege koordiniert. Nur durch abgestimmte Maßnahmen könne der steigende Pflegebedarf bewältigt werden. Die Anbieter von Hilfsmitteln spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie rund um die Uhr für Versorgungssicherheit sorgen müssen. In der Realität leiden sie jedoch unter unzureichender Versorgung mit qualitativ hochwertigen Hilfsmitteln und haben es oft mit Kommunikationsproblemen zu tun. Die Unterscheidung zwischen minderwertigen und hochwertigen Hilfsmitteln ist für die Betroffenen oft schwer verständlich. Wendler forderte eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Sachleistungsprinzip im Gesundheitssystem und eine stärkere Anerkennung der Hilfsmittelversorger als wichtige Koordinatoren im Versorgungsnetzwerk. Eine klare und verständliche Pflegeberatung sei entscheidend für die Qualität der Versorgung. Der hohe bürokratische Aufwand belaste zusätzlich die bereits knappen personellen Ressourcen. Er hob auch die Bedeutung regionaler Versorgungsnetze hervor, die eine enge Zusammenarbeit zwischen Kliniken, Pflegediensten und Angehörigen gewährleisten können. Abschließend appellierte Wendler an alle Beteiligten: Auch Standardversorgungen müssen qualitativ hochwertig und zielorientiert sein, um Ressourcen nicht zu verschwenden. Die Verantwortung für eine gute Versorgung liegt in den Händen aller.

Dr. Annette Kerkhoff stellte in ihrem Beitrag „Versorgungsziele als Basis der Hilfsmittelversorgungsqualität“ ein praktisches Beispiel zur Verbesserung der Ergebnisqualität anhand des Diabetischen Fußsyndroms (DFS) vor. Dieses Syndrom tritt bei 19 bis 34 % der Diabetiker auf und ist eine häufige Ursache für Amputationen, mit jährlich etwa 250.000 Fußulzerationen. Studien zeigen, dass die entscheidenden Faktoren für den Behandlungserfolg die Fußentlastung und die Adhärenz der Patienten sind, weshalb die Sicherstellung der Versorgungsqualität eine zentrale Aufgabe darstelle. Der Versorgungsprozess beginnt mit der Erfassung individueller Beschwerden und Bedürfnisse, gefolgt von der Überprüfung der Versorgungsziele und einer angepassten Hilfsmittelversorgung. Dabei seien sowohl medizinische Ziele wie Druckreduktion durch spezielle Polster als auch persönliche Ziele der Patienten wie Lebensqualität und berufliche Teilhabe wichtig. Eine gründliche Aufklärung könne die Akzeptanz der Hilfsmittel erhöhen. Die Adhärenz ist besonders relevant, da nur etwa ein Drittel der Diabetiker mit DFS ihre Hilfsmittel mehr als 60 % des Tages tragen. Eine ausreichende Tragezeit kann das Risiko für Re-Ulzerationen um 46 % senken. Die Patientenperspektive muss stärker berücksichtigt werden, da die subjektiven Versorgungsziele entscheidend für eine bedarfsgerechte Versorgung sind. Aktuell wird die Zufriedenheit der Patienten mit ihrer Versorgung jedoch nicht ausreichend erfasst. Ein Beispiel aus den Niederlanden zeigt, dass die Erhebung von patientenberichteten Ergebnissen (PROMs) durch validierte Fragebögen die Qualität der Versorgung verbessert und Kosten im Gesundheitswesen senkt. Diese Daten können auch für die Forschung genutzt werden, was letztlich allen Patienten zugutekommt.

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